Als Consultant bei SwissQ arbeite ich vertieft in der Businessanalyse und erfülle eine klare Rolle in gut strukturierten Projekten. Viele meiner heutigen Fähigkeiten als Generalist mit breiter Erfahrung stammt jedoch aus der Zeit als Startup-Gründer. Diese Erfahrungen darf ich auch jeden Tag bei unseren Kunden einbringen. Welches meine Schlüsselerfahrungen als Startup Gründer sind, teile ich gerne in diesem Beitrag.
Bei einem Bier zu kreativen Lösungen
Meine Startup-Erfahrung hat bei einem Bier mit Freunden begonnen. Ein Bekannter erzählte mir von seinem Alltagsproblem: Er stehe kurz vor der Fahrprüfung und habe keine Trainingsmöglichkeit, ausser mit dem Fahrlehrer und das könne er sich während dem Studium nicht leisten. Da ich den Führerschein schon eine Weile hatte, bot ich meine Hilfe an. So gingen wir an die gemeinsamen Übungsfahrten. Bei Gesprächen im Freundeskreis stellte sich rasch heraus, dass mein Bekannter nicht als Einziger mit diesem Problem zu kämpfen hatte.
So kam uns die Idee als Lösung eine Plattform anzustreben, die Fahrschüler und Begleiter für Übungsstunden zusammenführt. Wir entwickelten eine Mobile-App, die das Buchen von Übungsstunden so einfach wie möglich gestalten sollte.
Erstes Learning
Informelle Gespräche führen häufig zu kreativen Lösungen. Mit dem Problem / Bedürfnis im Vordergrund, führte ein zwangloser Austausch zu neuen Produktideen und fördert das Netzwerk.
MVPs und der agile Student
Bei der Umsetzung unseres digitalen Produkts war es wichtig, dass wir direkten Zugang zu unseren Stakeholdern an der Universität hatten. Dies war Dank unserem Studenten-Status gegeben. Durch gezielte Umfragen stellten wir rasch fest, dass es eine signifikante Anzahl Kommilitonen gab, die dasselbe Bedürfnis hatten: Für wenig Geld viel gefahrene Autostunden zu erhalten.
Mit dieser Ausgangslage erstellten wir kurzerhand das erste Minimal Viable Product (MVP). Dieser erste Prototyp war sehr rudimentär und wurde mit einem Drag-and-Drop Tool angefertigt. Dank unserem Ausbildungshintergrund in BWL an der HSG nutzten wir viele Good Practices aus dem agilen Umfeld.
Beispiele
- Nutzerzentriert zu denken und von Anfang an mit Kunden zusammenarbeiten: Ich bin selbst mit den ersten Kunden als Begleiter mitgefahren und habe dabei wichtige Anforderungen für unser Produkt herausgefunden, wie zum Beispiel ein Bewertungssystem für die Begleiter.
- Das Startup um motivierte Mitarbeiter aufbauen: Da wir gar nicht oder nur wenig bezahlen konnten, waren wir gezwungen, Mitarbeiter zu finden, die an die Vision des Startups glaubten.
- Schnell auf ein wechselndes Umfeld reagieren: Eine potenzielle Kundengruppe, die wir am Anfang gar nicht auf dem Radar hatten, waren Einwanderer, welche ihren ausländischen Führerschein umwandeln wollen. Nach einigen Gesprächen war schnell klar, dass unser Projekt auch ausserhalb der Universität guten Anklang findet.
Ein wichtiger Faktor für unseren Erfolg war, dass wir in kurzer Zeit viele Annahmen testen konnten. Einige Beispiele davon waren:
- Versicherungen: Als wir die ersten User Journey skizziert haben, kam schnell die Frage auf, wie die Versicherung des Fahrzeugs gehandhabt werden soll. Nach ein paar Anrufen bei Versicherungsberater hat sich herausgestellt, dass eine Vollkasko das abdeckt. Die User Journey eignet sich bestens, um solche Fragen früh aufzudecken.
- Zahlungsbereitschaft: Als Begleiter musste ich selbst einen Preis für meine Leistungen setzten und konnte meine ersten Annahmen bestätigen, dass die Preisspanne von 25 – 40 CHF ein realistischer Preis ist und für gute Begleiter Raum nach oben besteht. Daraus leiteten wir das Feature ab, dass die Benutzer die Preise frei setzen können, wir aber eine allgemeine Empfehlung anzeigen bei der ersten Benutzung.
- MVP: Nachdem wir ein grobes Konzept zusammengestellt hatten, wie die App ungefähr funktionieren soll, bauten wir eine rudimentäre Version. Damit konnten wir verifizieren, ob potenzielle Kunden bereit sind, ein Profil zu erstellen und ihre persönlichen Informationen preiszugeben, um als Begleitperson ein Nebeneinkommen zu verdienen.
Da wir ein kleines und dediziertes Team von Bekannten waren, hatten wir eine bestehende Vertrauensbasis. Aufbauend darauf und mit viel Zeit und Energie entwickelten wir das Produkt in schnellen Feedbackzyklen. Dadurch bauten wir ein enormes Momentum auf und haben gleichzeitig das Risiko minimiert. Dies, weil grosse Fehler im Produkt bereits früh erkannt und somit kostspielige Fehler später im Lebenszyklus vermieden wurden.
Zweites Learning
Mit dem Build-Measure-Learn Zyklus (Eric Ries, 2011: The Lean Start-up) lernt man in kurzer Zeit enorm viel. Man kann ein Produkt mit viel Zuversicht aus den gewonnenen Daten in die richtige Richtung treiben. Sei mutig und gehe das Risiko ein, dass du unterwegs Fehler machen könntest. Der Wissens- und Erfahrungsgewinn aus diesen exponierten Abenteuern sind ihr Gewicht in Gold wert und bringen dich dennoch effizient ans Ziel.
Startup Erfolg und der befähigende Mentor
Jetzt hob das Startup wie eine kleine Rakete ab. Dank eines erfolgreichen Mediendossiers, welches wir mit einem Bekannten erarbeitet hatten, konnten wir eine super Medienkampagne umsetzen. Daraus ergaben sich 35 Publikationen in Print- und Digital Medien, womit wir innerhalb von einem Jahr über 2'000 Benutzer gewinnen konnten. Unsere interessante Story und eine klare Mission, mit der sich vielen Leute identifizieren können, erachten wir auch heute noch als grosse Erfolgsgeschichte.
Der Weg zu diesem Erfolg war jedoch nicht ohne Tücken. Zudem genossen wir die ganze Zeit wir eine aussergewöhnliche Unterstützung unseres Umfelds. Eine wichtige Unterstützung dabei war unser Professor für Finanzwissenschaften. Er unterstützte uns bei Meetings mit Schlüsselkunden, um uns Jungunternehmern die Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Diese brauche es, um grosse Kunden wie z.B. BMW ins Boot zu holen.
Drittes Learning
Finde den Mentor, welcher deine Ideen unterstützt und hole dir die zusätzliche Glaubwürdigkeit. Diese braucht es, um die grossen Fische an Land zu ziehen oder innovative Projekte umzusetzen.
Nach dem Startup ist vor dem Beraterleben
Weil wir in einer rechtlichen Grauzone agierten und auf keinen Präzedenzfall zurückgreifen konnten, entschieden wir uns, das Produkt vom Markt zu nehmen.
Während der Startup Zeit habe ich persönlich viel über mich selbst gelernt. Ich fand es schade, dass es zu Ende ging. Die Learnings und das persönliche Netzwerk erweisen sich jedoch immer wieder als nützlich. Meine jetzige Karriere als Berater habe auch zu einem grossen Teil der Startup Erfahrung zu verdanken.
Nach erfolgreichem Uni-Abschluss und beruflichen Erfahrungen im In- und Ausland wurde ich über meinen Bruder auf die SwissQ aufmerksam, wo meine agile Erfahrung wertgeschätzt wird. Als Consultant arbeite ich in agilen Projekten, jedoch ohne die Unsicherheiten eines Startups. Hier lernte ich das Product Engineering Poster kennen. (Schreib mir deine Fragen und Inputs zum Product Engineering Poster gerne unten in die Kommentare). Hätten wir dieses schon vorher gekannt, wären unsere Prozesse um einiges strukturierter gewesen. Langfristig hätte es die Arbeit um einiges erleichtert. Auch hätte uns die Übersicht der Softwareentwicklungsprozesse ermöglicht, ein von Anfang an kohärentes Produkt zu bauen und einiges an Arbeit gespart.
Viertes Learning
Orientiere dich an einem erprobten Gesamtprozess, welcher dein Projekt zum Ziel führt, damit kannst du die grössten Stolpersteine vermeiden.
Erweitere deinen Methodeschatz
Möchtest Du selbst Deinen Methodenschatz erweitern und strukturierter Arbeiten? Dann bestell dir doch das Poster und die Product Owner Toolbox als handliche Erklärung einiger Werkzeuge. Gerne schaue wir auch vorbei und erkläre Dir, was es damit im Detail auf sich hat.
Übersicht der Learnings:
- Informelle Gespräche führen häufig zu kreativen Lösungen!
- Sei mutig und gehe das Risiko ein, dass du unterwegs Fehler machen könntest!
- Finde deinen Mentor!
- Orientiere dich an einem erprobten Gesamtprozess