Nachdem ich in einem Blogbeitrag den BABOK Guide des IIBA und in einem weiteren Beitrag den CPRE des IREB beschrieben habe, vergleiche ich hier die beiden Ansätze bezüglich ihrer Anwendungsgebiete.
Zertifizierungen
Auf die Zertifizierung möchte ich nur kurz eingehen. Für das Bestehen der Prüfung im Foundation Level des CPRE reicht es, wenn man schon etwas Erfahrung mit Requirements Engineering hat, eine Schulung (z.B. bei der SwissQ Academy, hier ein Erfahrungsbericht) besucht und/oder im offiziellen Begleitbuch [Basiswissen RE] die Themen, die man noch nicht so gut kennt, vertieft. Der Vorteil der Schulungen liegt klar in der Möglichkeit zum Austausch zwischen den Kursteilnehmenden und der Illustration durch konkrete Alltagsbeispiele. Um maximal von einer Schulung profitieren zu können empfiehlt es sich, das ausführliche Buch zum Kurs bereits vor dem Kursbesuch zu bearbeiten. Bei den Advanced Levels ist mehr Erfahrung nötig, da man noch eine Hausarbeit im Anschluss an die bestandene Multiple-Choice-Prüfung schreiben muss.
Die Zertifizierungen zum CCBA (Certification of Competency in Business Analysis) oder CBAP (Certified Business Analysis Professional) des IIBA habe ich selbst nicht gemacht, der Aufwand ist aber wohl erheblich grösser. D.h. man braucht z.B. für den CBAP laut Aussagen von Zertifizierten normalerweise mehrere Wochen Vorbereitung und muss den BABOK Guide [BABOK] sehr gut kennen. Ausserdem muss man bei der Anmeldung zur CBAP-Zertifizierung mindestens 7500 Stunden Erfahrung als Business-Analyst nachweisen. Zusammengefasst ist die Zertifizierung zum CPRE Foundation Level sicherlich einfacher zu machen als die Zertifizierung zum CBAP.
Vergleich Lehrplan CPRE mit BABOK
Beim CPRE ist der Lehrstoff, wie schon im zweiten Teil dieser Blogreihe erwähnt, mit wenigen Ausnahmen auf die tägliche Arbeit des Requirements Engineers ausgerichtet. Der Foundation Level behandelt die Grundlagen, die Advanced Module zu den Themen Elicitation & Consolidation, Modeling und bald auch Requirements Management gehen dann mehr in die Tiefe.
Der Inhalt des BABOK Guides ist im Vergleich zum Inhalt des Buches „Basiswissen RE“ sehr umfangreich, da er auch noch typische Tätigkeiten eines Business Analysten abdeckt. Die Beschreibung der Tätigkeiten ist sehr prozesslastig. Für jede Aufgabe werden die Inputs, Methoden, mögliche Techniken und der Output beschrieben. Dies ist für einen Requirements Engineer, der noch nicht einige Jahre Erfahrung hat, oft eher abschreckend als hilfreich. Aufgrund der Voraussetzung für die Zulassung zur Zertifizierungsprüfung, dass man über mindestens vier Jahre Erfahrung verfügen muss, ist dies auch nicht die Zielgruppe des BABOK Guides.
Für Schulungen: CPRE. Für Business-Analysis-Prozesse: BABOK
Welche Schulungen sollten Requirements Engineers nun besuchen? Als ich als Manager Business Analysis das Requirements Engineering in einer Firma aufbaute, habe ich meine Requirements Engineers zuerst auf eine CPRE Foundation Level-Schulung geschickt - den Inhalt fand ich relevanter für die tägliche Arbeit als der Inhalt des BABOK Guides. Je nach Schwerpunkt der Arbeit, bieten sich dann auch die Advanced Level-Kurse an. Wir hatten für die Requirements Engineers die Elicitation & Consolidation-Schulung organisiert. Danach hatten unsere Mitarbeiter ein solides Wissen, um zusammen mit Erfahrung, bei der täglichen Arbeit auch in herausfordernden Situationen gute Leistung bringen zu können. Die Solution Designers besuchten die Modellierungs-Schulung, was bei ihnen auch sehr gut ankam.
Ob der Stoff des BABOK Guides einem Requirements Engineer bei der täglichen Arbeitspraxis mehr hilft als der Stoff vom CPRE, glaube ich persönlich nicht. Als Manager Business Analysis der auch die Aufgabe hatte, die RE-Prozesse zu definieren, bin ich aber sofort auf den BABOK Guide gestossen und war begeistert. Dieser bildete die Grundlagen der Prozesse [REConf2010]. Bei der Implementierung mussten natürlich die Prozesse angepasst und einige weggelassen werden. Für die Requirements Engineers im Team, für das ich zuständig war, ist es allerdings ausreichend gewesen, eine recht kurze Zusammenfassung der relevanten Abschnitte des BABOK Guides zu kennen. Wir sahen, im Gegensatz zu CPRE-Schulungen und -Zertifizierungen, keinen Bedarf an einer CCBA/CBAP-Schulung oder Zertifizierung. Für einen Manager im Bereich Business Analysis, einen internen Prozess-Spezialist in einer grösseren Firma oder einen sehr erfahrenen Requirements Engineer, der noch tiefer einsteigen möchte, kann eine solche Schulung bzw. Zertifizierung jedoch sehr wohl sinnvoll sein. Den BABOK Guide durchzulesen ist aber auf alle Fälle, wenn man sich von der formalen Art des Inhalts nicht abschrecken lässt, interessant und für das Verständnis der kompletten RE-/BA-Prozesse hilfreich.
Für weiterer Schulungen bin ich der Meinung, dass Requirements Engineers ein Grundverständnis von Testing haben sollten. Die Schulung „ISTQB Certified Tester Foundation Level“ vermittelt zum Beispiel dieses Basiswissen. Weiterhin sollte ein Tester auch Kenntnisse im Requirements Engineering haben. So handhaben wir das z.B. auch bei SwissQ (Erfahrungsbericht).
Und was ist mit Agilität?
Bezüglich Agilität ist IIBA weiter als IREB. Während IREB lediglich einen Artikel [RE and Agile] herausgebracht hat, wie Requirements Engineering im agilen Umfeld angewendet werden kann, gibt es vom IIBA eine ausführliche Agile Extension zum BABOK Guide [BABOK Agile]. Doch davon eventuell ein anderes Mal mehr...
Literatur
[BABOK] International Institute of Business Analysis, Leitfaden zum Business Analysis Body of Knowledge – BABOK Guide 2.0, Wettenberg, 2012, www.iiba.org
[BABOK Agile] P. Stapleton (Editor), Agile Extension to the BABOK Guide, 2013, www.iiba.org
[Basiswissen RE] K. Pohl, C. Rupp: Basiswissen Requirements Engineering, dpunkt.verlag GmbH, 2011
[RE and Agile] R. Grau, K. Lauenroth, Requirements Engineering and Agile Development, 2014, www.ireb.org
[REConf2010] C. Wolf: Business Consulting & Analysis @ Sunrise, REConf Schweiz 2010