Zuerst der Schritt von gestern auf heute ins Homeoffice und aktuell zurück in einen hybriden Arbeitsansatz. Die heutige Generation von Führungskräften muss sich in kürzester Zeit an neue Verhältnisse anpassen. Eine 5-Tage-Büro-Woche kann sich heute kaum noch jemand vorstellen. Wenn das trotzdem durchgesetzt wird, drohen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeitende mit der Kündigung. Die Präferenz der Mitarbeitenden ist allerdings unterschiedlich. Einige wollen wieder zurück ins Büro, andere möchten weiterhin von zu Hause arbeiten. Aber wie können die Wünsche der Mitarbeiter und die Forderungen nach fortdauernder Produktivität und Zusammenarbeit in Einklang gebracht werden? Im Umfeld des hybriden Arbeitens gibt es für Führungskräfte unzählige Variablen. Die Folgen, wenn man an ihnen schraubt, müssen verstanden und berücksichtigt werden. Wie definiert sich meine Rolle als Führungskraft im hybriden Arbeitsalltag neu? Was verändert sich in meiner Beziehung zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern? Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich für mich als Führungskraft im hybriden Kontext?
In dieser Blogserie möchte ich Fragen zum Thema hybrides Arbeiten und einige begleitende Facetten dazu angehen. Der erste Teil zum Thema Resilienz hat dir aufgezeigt, wie du dich mit Stress zurechtfindest und eine gesunde Widerstandsfähigkeit aufbauen kannst. Im zweiten Teil zum Thema Kommunikation und Interaktion habe ich aufgezeigt, wie in einem hybriden Kontext optimal kommuniziert und man miteinander interagieren kann. Wir haben in diversen Blogs bereits einige andere Aspekte zum Thema beleuchtet. Zum Beispiel Remote Facilitation oder auch, wie dir der Weg aus dem Lockdown ins Büro wieder gelingt.
Hybrides Arbeiten ist oder wird die neue Normalität
Hybride Formen der Arbeit sind nicht erst seit diesem Jahr bekannt. Schon zuvor war es möglich, in diversen Firmen an einigen Tagen in der Woche von zu Hause zu arbeiten. Es wurde nur nicht Hybrides Arbeiten genannt. Das inoffizielle Ende der Pandemie hat dazu geführt, dass sich die Arbeitswelt nun drastisch verändern wird. Wie genau diese Änderung aussehen wird, ist aber noch nicht wirklich bekannt.
Laut einer Umfrage von McKinsey wollen 9 von 10 Unternehmen in Zukunft eine Kombination von Homeoffice und arbeiten im Büro. Das verdeutlicht, dass der hybride Arbeitsansatz Einzug gehalten hat oder halten wird und zur neuen Normalität werden wird.
Bewusstsein für die eigene Organisationsform
Die Fähigkeit zum Führen in einer hybriden Arbeitsform ist geprägt von der aktuellen Organisationsform, in der du dich befindest. Frederic Laloux beschreibt fünf organisationale Paradigmen in seinem Buch Reinventing Organisations: Tribal, Traditionell, Modern, Postmodern und Teal.
In einer tribalen Organisation herrscht ein mächtiger Anführer, zu vergleichen mit einem Wolfsrudel. Solche Organisationen sind impulsiv, haben eine Top-Down Autorität und sind für Arbeitsteilung bekannt. Aktuell existiert diese Form von Organisation noch in Mafia-Syndikaten oder Strassengangs.
In einer traditionellen Organisation herrscht ein definiertes Organigramm vor. Sie bringt Stabilität, wiederholbare Prozesse und ist in der Lage zu wachsen. Ein Beispiel für eine traditionelle Organisation ist in der heutigen Welt die Kirche oder das Militär.
Moderne Organisationen zeichnen sich aus durch Innovation und Verlässlichkeit. Sie basieren auf dem Leistungsprinzip und sind am ehesten mit einer Maschine zu vergleichen. Diese Organisationsform ist auf Wachstum und Profitsteigerung aus. Ein gutes Beispiel dafür ist die Wall Street, die rücksichtslos innoviert und an Effizienz gewinnt, um den Profit zu steigern.
Postmoderne Organisationen sind mit einer Familie zu vergleichen. Sie stehen für Empowerment, Integration verschiedener Interessengruppen und werteorientierter Kultur. Viele gemeinnützige Organisationen oder NGO’s sind nach diesem Paradigma aufgestellt.
Die letzte der fünf Stufen von Laloux ist Teal. Diese Organisationsform steht für Selbstführung und Ganzheitlichkeit und ist einem evolutionären Sinn untergeordnet. Sie lässt sich am besten mit einem Netzwerk oder lebendigen Organismus vergleichen.
In welcher Organisation befindest du dich?
Warum zeige ich dir hier alle diese Organisationsformen auf und was hat das mit Führung im hybriden Setting zu tun? Wenn du dich mit deiner Organisation eher in einem der letzten zwei Stufen nach Laloux befindest, wirst du weniger Probleme haben mit dem Führen in einem hybriden Kontext. Die Organisationsform postmodern oder teal erfordert in ihrer Natur einen anderen Umgang mit Leadership. Dieser Umgang passt aber hervorragend zum hybriden Arbeiten. In einer traditionellen oder modernen Organisation, was wahrscheinlich auf viele Unternehmen zutrifft, muss wahrscheinlich mehr Energie investiert werden, um eine hybride Arbeitsweise zu ermöglichen und zu fördern. Nachfolgend einige Anregungen, die eine erfolgreiche Zusammenarbeit in einem hybriden Kontext unterstützen.
Teamnormen und Erwartungen
Ein guter Start in einem hybriden Teamsetting ist das Etablieren gemeinsamer Werte und Normen sowie die Klärung der gegenseitigen Erwartungen. Dies erzeugt eine gemeinsame Identität mit dem Team und dem Unternehmen. Jedes Teammitglied sollte den Zweck, die Ziele, die Teamnormen, Häufigkeit der Meetings sowie die Entscheidungsfindung verstehen. Dies gewinnt im hybriden Arbeiten an Relevanz. Dies weil durch das verteilte Team die Identifikation mit dem Unternehmen oder auch mit dem Team selbst leiden kann. Ein gutes Werkzeug, um solche Normen und Werte festzuhalten, ist eine Team-Charter Canvas. Bei der Definition der Teamregeln und -normen sollte sich das Team auch mit folgenden Fragen auseinanderzusetzen:
- An welchen Tagen werden die einzelnen Teammitglieder ins Büro kommen, wenn sie teilweise remote und teilweise vor Ort arbeiten wollen?
- Wie können Teambesprechungen den Anforderungen gerecht werden und die Beiträge sowohl der Mitarbeiter vor Ort als auch der remote Teilnehmer effektiv nutzen?
- Wie sollen Kommunikationsmittel und Tools eingesetzt werden, um die Ziele und Ergebnisse des Teams zu unterstützen?
- Welche Kommunikationsmittel verwenden wir und wie sind die Reaktionszeiten?
Diese Fragen im Team zu klären, fördert die Verbundenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die gemeinsame Festlegung der Kommunikationsmittel macht es möglich, dass sich die Mitarbeitenden im Homeoffice nicht abgekoppelt fühlen.
Gleichberechtigung und Fairness
Einige Teammitglieder arbeiten mehr von zu Hause aus, andere sind häufiger im Büro. Unabhängig vom Arbeitsort sollte jeder/e aber die gleiche Möglichkeit bekommen, sich zu entwickeln und gehört zu werden. Bemühe dich zum Beispiel bei Besprechungen die Anwesenden und Zugeschalteten gleichermassen einzubeziehen. Wenn zum Beispiel im Büro spontan Diskussionen entstehen, die das gesamte Team betreffen, achte als Führungsperson darauf, dass die Interessen der Personen, die nicht vor Ort sind, miteinbezogen werden. Geht die Diskussion in eine Richtung, bei der zwingend alle Teammitglieder dabei sein sollten, brich diese ab oder verschiebe sie in ein Remotemeeting. Halte die Remote Teilnehmer auf dem Laufenden, was im Büro besprochen wurde.
Auch solltest du vom gängigen Paradigma «Wer lange im Büro ist, arbeitet hart und verdient, gefördert zu werden» wegkommen. Wie kannst du die Mitarbeiter bewerten oder fördern? Das ist nicht einfach. Ich möchte dir folgende Fragen als Gedankenanstoss mitgeben:
- Bevorzuge ich diejenigen Personen, die häufiger im Büro sind?
- Kann ich Feedback bei anderen Teammitgliedern, die mit der Person zusammenarbeiten, einholen?
- Nutze zum Beispiel Peer-Reviews, um das Verhalten von Mitarbeitern zu bewerten
- Ist eine Einzelbewertung notwendig oder kann ich mit einer Teambewertung leben?
- Worauf basiert die Teambewertung?
Eine Teambewertung kann anhand verschiedener Indikatoren erstellt werden. In einem agilen Kontext können die Teamergebnisse wie zum Beispiel Team Velocity, die Anzahl escaped Defects oder die Einhaltung der Sprint/Iterationsziele berücksichtigt werden. In einer modernen Organisationsform kann dieses Vorgehen zu Spannungen führen. Es erfordert ein grosses Mass an Flexibilität, Fairness, Vertrauen in das Team und Peer-Feedback, Self-Awareness und Resilienz. Dies sind Eigenschaften, die vor allem in der postmodernen und teal Organisation ausgeprägt sind.
Zielrichtung, Abstimmung und Verpflichtung
Ein Team muss, wie oben bereits gesagt, wissen, was das Ziel ist und darauf abgestimmt sein. Ansonsten ist die Gefahr gross, dass ein hybrides Team nicht funktioniert und jedes Teammitglied in eine andere Richtung zieht. Doch wie kann ich dies messen? Kann ein hybrides Teamsetting von heute auf morgen etabliert werden?
Das Etablieren eines hybriden Teams ist wohl eher auch ein iterativer Prozess. Die Teams müssen zusammen mit ihren Führungskräften herausfinden, wie die Zusammenarbeit in diesem Kontext am besten funktioniert. Glaube mir, du wirst auf deinem Weg auf ein paar Hindernisse stossen. Durch Setzen der drei Rahmenbedingungen Zielrichtung, Abstimmung und Verpflichtung kann ein hybrides Team erfolgreich zusammenarbeiten.
- Zielrichtung – Stelle sicher, dass alle Personen im Team die Strategie und Mission des Teams im Kontext der gegebenen Rahmenbedingungen kennen und die Richtung klar ist.
- Abstimmung – Ist das Team aufeinander abgestimmt? Koordiniert sich das Team mit den verschiedenen Rollen und Arbeiten? Sind die Mittel, die das Team braucht, bereitgestellt (Räume, Kommunikationsmittel, usw.)?
- Verpflichtung – Gibt es im Team eine Verpflichtung gegenüber den Zielen? Fühlt sich das Team für das Produkt oder die Dienstleistung verantwortlich? Wie kann ich das als Führungskraft unterstützen, damit im Team Verantwortlichkeit entsteht?
In einem hybriden Setting ist die Beobachtung des Verhaltens der Teammitglieder für die Führungskraft erschwert. Daher muss wie in den Organisationsformen teal und postmodern vermehrt auf klare Ziele, Selbstorganisation und Abstimmung untereinander Wert gelegt werden.
Empathie
«Führe mit Empathie!» Diesen Spruch hast du sicherlich auch schon gehört. Das hat auch einen Grund! Wenn du deinen Mitarbeitern Wertschätzung und Empathie entgegenbringst, sind diese eher bereit, sich für die gemeinsamen Ziele einzusetzen und diese zu erreichen. Damit ein hybrides Modell erfolgreich funktioniert, musst du mit deinen Mitarbeitern zusammenarbeiten. Nicht einseitige Entscheidungen von oben nach unten zu treffen. Das bedeutet, dass du versuchen musst zu verstehen, wie die Lebensumstände und die Vorlieben deiner Mitarbeiter sind. Gehe auf diese ein, wenn dies der Teamkontext erlaubt. Binde die Personen in den Entscheidungsprozess mit ein. Wie im Abschnitt Teamnormen und Erwartungen beschrieben, stelle zum Beispiel den Mitarbeitenden die Entscheidung frei, im Team zu definieren, wann sie im Büro und wann sie von zu Hause arbeiten.
Empathie ist auch eine Fähigkeit, die in der Organisationsformen teal und postmodern einen hohen Stellenwert hat. Diese in einer modernen Organisation (nach Laloux) zu fördern, erfordert Offenheit und die Bereitschaft, sich in andere Menschen hineinzufühlen.
Vertrauen
Gib Zielvorgaben und nicht Anleitungen. Klarheit und Zieldefinition ist ein wichtiges Werkzeug in Bezug auf Vertrauen. Umreisse die Ziele und lasse die Mitarbeiter anschliessend selbst entscheiden und herausfinden, wie sie dorthin gelangen können. Laut re:work, einer Studie von Google, sind Teams, die Vertrauen geniessen und dadurch eine hohe psychologische Sicherheit haben, bis zu 40 % produktiver. Gib deinem Team den Freiraum, den es braucht und erhalte im Gegenzug ein besseres Ergebnis.
Kernaussagen
Leadership im hybriden Kontext ist ein nicht triviales Unterfangen. Es bietet aber eine Chance, sich als Führungskraft neue Fähigkeiten anzueignen und sich weiterzuentwickeln. Auf folgende Punkte solltest du achten:
- Fairness und Gleichberechtigung – Beziehe immer alle mit ein, die im Office und auch die, die von zu Hause arbeiten
- Werte und Normen – Hole die Bedürfnisse aller Personen ab und lege mit allen gemeinsam fest, wie die Zusammenarbeit funktionieren soll
- Zielrichtung, Abstimmung und Verpflichtung – Im Team sind die Ziele klar, es findet Abstimmung untereinander statt und man fühlt sich verantwortlich für das Unternehmen
- Empathie – Kenne und berücksichtige die Bedürfnisse und Vorlieben deiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
- Vertrauen – Gib deinem Team Freiheit und Vertrauen und erhalte dafür ein besseres Ergebnis
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