Nachdem ich vor gut einem Monat den Nutzen der Big 3 und der intrinsischen Motivation im Zusammenhang mit der Motivationspsychologie erklärte, ist das Kernthema in diesem Blogbeitrag die Sozialpsychologie.
Dabei werde ich die Theorie der sozialen Identität vorstellen, die mir in meinem Geschäftsalltag als Business Analyst und im Requirements Engineering (RE) begegnet ist und dessen Bewusstsein mich bei der Erstellung des Produkts und in Projekten unterstützt hat.
Soziale Identitäten in unserem Berufsalltag
Bei der Sozialpsychologie steht der Mensch mit seinem Verhalten im Mittelpunkt und man versucht zu verstehen wie der Mensch sich in gewissen Situationen verhält oder was ihn zu diesem Verhalten treibt.
Dabei geht die Sozialpsychologie davon aus, dass die Reaktion einer Person über seine Gedanken und dessen Emotionen gesteuert wird und diese immer in Abhängigkeit zu einer bestimmten Situation stehen. Bei der Theorie der sozialen Identität geht es allerdings nicht um Einzel- sondern um das Gruppenverhalten. Konkret untersucht sie die wertende Haltung von Gruppen untereinander und befasst sich mit den dahinterstehenden, psychologischen Prozessen. Dabei liegt das Problem darin, dass Teams dazu tendieren sich miteinander zu vergleichen um das Selbstwertgefühl der Gruppenmitglieder zu halten oder sogar zu steigern.
Und genau dieser Vergleichsprozess ist häufig der Grund für negative Dynamiken in Workshops, zwischen den unterschiedlichen Streams auf Projekten oder auch in einem skalierten, agilen Umfeld, wo mehrere Teams am selben Ziel / Produkt arbeiten. Denn wir Menschen tendieren dazu die Gruppe, in der wir uns selbst befinden, als besser wahrzunehmen als sie in Wahrheit ist und werten im gleichen Atemzug die andere(n) Gruppe(n) ab.
Der Konkurrenzkampf im Berufsalltag ist allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt förderlich und nicht immer zielführend. Vielmehr sollte es das Ziel sein als Einheit ein Produkt oder Projekt erfolgreich voranzutreiben und den Fokus auf den Mehrwert für den Kunden zu legen und nicht auf den direkten Vergleich innerhalb des eigenen Unternehmens.
Das “Wir - Gefühl“ als Lösung
Um den Fokus auf den Mehrwert des Kunden zu legen, müssen wir die negative Dynamik unter den Teams verringern und dies mit dem Wissen, dass sie sich nie vollständig ausschliessen lässt. Wir Requirements Engineers können dieser Dynamik mit bewusst eingesetzten Massnahmen entgegenwirken.
- Gemeinsame Zielerarbeitung
Ein wichtiger Punkt um die Dynamik zu verringern, ist die gemeinsame Zielsetzung. Damit ist jedoch nicht gemeint, den Teams das Ziel vorzugeben, sondern vielmehr ein oder mehrere Ziele (S.M.A.R.T) gemeinsam und als Team zu erarbeiten. Dies stärkt einerseits die Identifikation mit dem Produkt
oder Projekt und unterstützt andererseits den Teambildungs-Prozess.
Weiterführend unterstützt eine persönlich unterschriebene & visualisierte Darstellung der gemeinsamen Ziele, den Plan auch mittelfristig nicht aus den Augen zu verlieren und schafft zusätzliche Verbindlichkeit für dieTeams.
- Individuelle Motivation in Ergänzung
Wie im letzten Blog Beitrag erwähnt, ist die Motivation der Personen unterschiedlicher Natur. Wobei “The Big 3“ von David McClelland drei Ausprägungen aufzeigt; machtmotivierte-, leistungsmotivierte- und anschlussmotivierte Personen. Finden wir heraus was die intrinsischen Treiber der Personen sind, können wir individuelle, sich nicht konkurrenzierende, Ziele schaffen um die Personen nicht nur als Team, sondern auch individuell zu fördern. Idealerweise machen das die Teams sogar unter sich aus. Auch dies eine Möglichkeit die negative Dynamik zu verringern.
- Arbeiten mit grossen & kleinen Gruppen
Einige Workshop Methoden sehen die Arbeit in kleinen Gruppen vor. Gegen solche Methoden ist grundsätzlich nichts einzuwenden und sind erwiesenermassen äusserst hilfreich. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass man Vergleichsmöglichkeiten so gut wie möglich ausschliesst und als erstes eine Einheit bildet, bevor in kleinen Gruppen weiter gearbeitet wird.
Und genau dort ist die gemeinsame Zielsetzung zu Beginn des Workshops ein mögliches Hilfsmittel. Man sollte also wenn immer möglich mit einer grossen Gruppe beginnen und erst in einem zweiten Schritt mit mehreren, kleinen Gruppen arbeiten. Dies soll sicherstellen, dass die Gruppe zuerst als eine Einheit aufgebaut wird und sich auch als solche wahrnehmen um dann im Anschluss in kleineren Gruppen zielführend.
Fazit
Das Patentrezept das uns aufzeigt wie wir mit negativ behafteten Dynamiken zwischen Teams umgehen müssen, gibt es leider nicht. Dennoch lernt uns die Theorie der sozialen Identität welche Einflussgrössen wir beachten müssen um entsprechend vorzubeugen.
Welche Zahnräder hierbei gedreht werden müssen und wie viel, ist jedoch abhängig von der Situation und den Personen. Wichtig ist primär bewusst auf die Dynamik zu achten und entsprechend zu reagieren um allenfalls Gegenmassnahmen einzuleiten. Dies können die drei von mir genannten sein, ich bin mir aber sicher, dass auch sie gute Ideen haben wie damit umzugehen ist.
Was haben sie schon für Gruppendynamiken erlebt und wie sind sie damit umgegangen? Ich freue mich schon jetzt über den Erfahrungsaustausch mit Ihnen.
patrick.bucheli@swissq.it