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Erfolgsrezept Schwanensee – 5 Lehren aus der Ballettwelt für Product Owner

16 Dec, 2015
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Viele Leute, die sich wenig mit Kunst befassen, haben die Vorstellung, dass Kunst etwas sehr Chaotisches und Impulsives ist. Ballett ist aber eine Kunstform, die sehr viel Disziplin, harte Arbeit und Opfer erfordert. Es gibt also durchaus Parallelen zwischen Ballett und IT. In diesem Blogbeitrag zeige ich, was ein Product Owner aus der Ballettwelt lernen kann. 

Zugegeben, ich bin seit Langem ein begeisterter Ballettfan. Seit einiger Zeit nehme ich Ballettunterricht und tanze in meiner Freizeit selber. Umso trauriger finde ich die Tatsache, dass in der Schweiz Ballett nicht so populär ist, wie in anderen Ländern. Das obwohl hierzulande der weltberühmte Choreograph Maurice Bejahrt lebte und regelmässig der grosse Nachwuchswettbewerb Prix de Lausanne stattfindet.

 

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Verborgene Gemeinsamkeiten 

Auf dem ersten Blick gibt es nicht viel Gemeinsames zwischen Kunst und InformatikIch bin der Meinung, dass die IT Welt und insbesondere Product Owner viel vom Ballett lernen und sich zunutze machen können. Beim genauen Hinschauen habe ich folgende Praktiken aus der Ballettwelt identifiziert, die wir in Softwareprojekten anwenden können.

Klare Vision

Jedes Ballettstück erzählt eine Geschichte, genauso wie ein Softwareprodukt. Im Ballett ist der Choreograph so etwas wie der Product Owner - er ist gleichzeitig der Autor und Regisseur eines Ballettstücks. Als "Product Owner" muss der Choreograph den Tänzern die Vision seines Werkes  vermitteln. Die Integration mehrerer Tänzer erfolgt während mehrmaliger Proben. Es gibt drei Möglichkeiten, Choreographien zu vermitteln:

  • Ein konkretes Beispiel zeigen (Vortanzen durch den Choreographen Körper-zu-Körper, Bildung einer Analogie)
  • Benutzen der Tänzer als Subjekte (Schaffen eines gemeinsames mentalen Models, Vermitteln der einzelnen Bewegungskombinationen als "Wenn-Dann" Szenarien mit Hilfe der natürlichen Sprache)
  • Improvisation der Tänzer und Begutachtung der Ergebnisse durch den Choreographen (testbasiert)

Der Choreograph erinnert den Tänzer während den Proben kontinuierlich an die  Vision und Geschichte hinter dem Ballettstück, damit die Tänzer sie den Zuschauern weitergeben können.
In diesem Sinne können die Product Owner  sehr viel von den Choreographen lernen, vor allem was die Visualisierung und Verdeutlichung einer Vision betrifft. Es existieren etliche Methoden, die Product Owner dabei unterstützen, z.B. PrototypPersonaBusiness Model CanvasUser Story MapUser Journey usw.

Keine Angst vor dem Fallen

Wie der berühmte Choreograph George Balanchine gesagt hat:

„Wer Angst vor dem Fallen hat, hat Angst vor dem Tanzen“.

Fehler zu machen gehört also dazu – solange man daraus lernt. Balletttänzer müssen die einzelnen Bewegungen und Bewegungs-Kombinationen unzählige Male wiederholen, bis sie diese perfekt beherrschen. Was mir im Ballettunterricht extrem Spass macht, ist das direkte Feedback der Ballettlehrerin. Da die Balletttänzer die Richtigkeit und Genauigkeit der eigenen Bewegungen nicht zu 100% einschätzen können, sind sie auf externes Feedback angewiesen. Die Annahme in vielen Softwareprojekten ist, dass alles von Anfang an funktionieren soll. Dabei können viele Projekte von Experimenten im Sinne von Minimum Viable Products und häufigen Feedback-Loops im Sinne von Lean Startup profitieren und dadurch bessere Ergebnisse erzielen. Häufiges Feedback ist auch in IT-Projekten sehr förderlich für Produkt- und Prozessqualität und das gemeinsame Verständnis des Projektziels.

Richtiges zu richtiger Zeit tun

Während eines Ballettstücks müssen die Tänzer genau wissen, welche Schritte und Bewegungen sie wann auszuführen haben. Das wird in der Choreographie definiert. Für die Dokumentation der Bewegungen gibt es die sogenannte Tanznotation, die aufzeigt, welche Bewegungen der Tänzer zu welchem Zeitpunkt  ausführen soll. Die Bewegungen müssen genau getaktet sein, da es beim Auftritt oft auf Sekunden oder Bruchteile von Sekunden ankommt. Beim Releasetermin von Software geht es nicht um einzelne Sekunden. Für eine gelungene Time-to-Market Einführung muss aber auch alles im Projekt  zeitnah zusammen funktionieren. In der IT Welt gibt es zwar ebenfalls Begriffe wie Choreographie und Orchestrierung im Zusammenhang mit Service Oriented Architecture, diese haben aber eher eine technische Bedeutung und beschreiben die Zusammenarbeitet der Services im Hintergrund einer Software. Die Rückbesinnung auf den Ursprung des Begriffs Choreographie hätte den Vorteil, dass die Projektmitglieder ihre Rollen im Projekt besser nachvollziehen können und verstehen welche Tätigkeiten in welcher Phase des Projektes von Ihnen erwartet werden (vgl. Agile RE Poster).

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Photocredit: https://politicalcalculations.blogspot.ch/2015/05/mathematical-formulas-with-dance.html#.Vj-Pk4TjYWIAgile RE Poster

Integrationsstrategie

Ein Ballettstück entsteht inkrementell, Szene für Szene. Die einzelnen Teile werden getrennt geprobt. Danach muss das ganze Werk zusammengeführt werden. Die Solisten müssen mit dem Corps de Ballet zusammen proben, die einzelnen Szenen nacheinander getaktet werden, dazu kommen Kostüme, Bühnentechnik, Licht und Orchester. Da die Räumlichkeiten und Zeit der Mitarbeiter knapp sind, wird schon zu Beginn an die Integration gedacht. Es gibt von Anfang an einen Probeplan, der als Integrationsstrategie betrachtet werden kann. Agile Projekte sollten iterativ vorgehen und sind deshalb theoretisch ebenfalls auf häufige Integrationen angewiesen. In der Realität wird nicht in jedem Projekt an die Integration gedacht. Unabhängig vom Vorgehensmodell profitiert aber jedes Projekt von einer gut definierten und gelebten Integrationsstrategie.

Gemeinsames Glossar

Da Ballett ursprünglich aus Frankreich kommt, sind alle Begriffe französisch, egal wo auf der Welt man tanzt. Als ich in die Schweiz kam, wusste ich im Unterricht sehr schnell, was ich zu tun hatte, da die Bezeichnungen der Bewegungen auf der ganzen Welt gleich sind. In der IT- besonders im Requirements Engineering- gibt es viele Begriffe, die nicht einheitlich verwendet werden. Wenn man mehrere Unternehmen fragt, was Minimum Viable Product bedeutet, was ein Product Owner macht oder wie ein Epic geschrieben wird, bekommt man viele unterschiedliche Antworten. Als Product Owner muss man immer die Bedeutung der verwendeten Begriffe hinterfragen und damit ein gemeinsames Verständnis schaffen. Ein Merkmal erfolgreicher Projekte ist unter anderem die Verwendung eines gemeinsamen und abgestimmten Glossars.

Epilog: Spitzentanz in der IT

Klassische Ballettstücke wie Schwanensee gibt es in mehreren Variationen und Fassungen mit verschiedenen Schlussszenen - von romantisch bis tragisch. Bei IT Projekten ist das Ergebnis genau so ungewiss (auch wenn wir immer auf ein Happyend hoffen). Zwei Projekte mit der gleichen Vorgehensweise und ähnlicher Struktur können ganz unterschiedlich enden. Am Anfang kann man nie zu 100% sicher sein wie ein IT-Projekt ausgeht, sogar wenn man vorher ähnliche Projekte erlebt hat. Aber zum Glück gibt es viele Methoden, die ein Product Owner verwenden kann, welche die Erfolgswahrscheinlichkeit der Projekte deutlich erhöhen.

Ähnlich wie ein Choreograph, muss der Product Owner einen Überblick über das ganze Projekt behalten und den Projektbeteiligten eine klare Vision vermitteln. Visuelle Mittel eignen sich dafür am besten, damit sich die Beteiligten die Vision besser vorstellen können.

Häufiges Feedback spielt ebenfalls eine wichtige Rolle sowohl in Ballett als auch in Softwareprojekten. Ein Product Owner kann Lern- und Feedback-Loops initiieren, um mehr zu lernen und die Hypothesen zu überprüfen.

Eine grosse Gemeinsamkeit zwischen Ballett und IT ist ein gewisser Coolness- oder Glamour- Faktor. Hinter der schönen Fassade verbirgt sich aber viel harte Arbeit und Disziplin. Der Erfolgsrezept eines Softwareprojekts, wie auch eines Ballettstücks, liegt in der Integration verschiedener Bestandteile und der Zusammenarbeit aller beteiligten Parteien. Je besser diese Kunst vom Choreographen, bzw. vom Product Owner beherrscht wird, je häufiger eine Integration stattfindet, je besser die Beteiligten ihre Rollen kennen und wahrnehmen, desto wahrscheinlicher ist der Erfolg des Vorhabens - sei es eine Ballettvorstellung oder ein Softwareprodukt.

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