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Das Wissen im Raum nutzen? Nichts einfacher als das! 5 Tipps aus der Praxis

08 Jul, 2015
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Als eingefleischter Requirements Engineer bietet mir in meiner Rolle als Trainer die Durchführung von Vorbereitungskursen zur IREB CPRE FL Zertifizierung eine willkommene, aber auch anstrengende Abwechslung zum Beratungsalltag.

Je nach Teilnehmerkreis sitzen im Vorbereitungskurs Berufskolleginnen und -Kollegen mit teils langjähriger Berufserfahrung, welche einfach das Zertifikat erlangen wollen.

Zu Beginn meiner Tätigkeit als Kursleiter war es für mich nicht immer einfach, einen Kurs zu leiten, in dem die Teilnehmer mehr Fachwissen als ich als Trainer hatten: auf Grund meiner Konditionierung war ich der Ansicht, dass ich als Trainer eigentlich einen Wissensvorsprung gegenüber den Kursteilnehmenden haben muss, oder?

Heute sehe ich dies ganz anders: je mehr Wissen im Raume ist, desto mehr können wir alle, also die Teilnehmenden und ich als Trainer, profitieren. In meiner Rolle als Trainer muss ich nur sicherstellen, dass Wissen zielgerichtet eingesetzt und aktiv eingebracht wird. In diesem Blog will ein 5 Tipps aus meiner Praxis weitergeben, wie ich das Wissen im Raum einbinde.

Einmaligkeit des Kurses

Jeder Kurs ist einmalig, und verfolgt trotzdem dasselbe Ziel: die Teilnehmenden erfolgreich auf die Zertifizierungs-Prüfung vorzubereiten.

Meine drei letzten Kursdurchführung konnten vom Teilnehmerkreis her betrachtet nicht unterschiedlicher sein: ein Inhouse-Kurs bei einem namhaften Consulting Unternehmen in Zürich, bestehende aus einem Dutzend erfahrener Requirements Engineers, ein öffentlicher Kurs mit Teilnehmenden mit unterschiedlichstem Kenntnisstand, und ein Crash-Kurs an einer Fachhochschule mit Studierenden, welche oft keine oder nur wenig Praxiserfahrung mitbringen.

Wie gehe ich damit um? Wie kann ich sicherstellen, dass am Ende des Vorbereitungskurses trotz den unterschiedlichen Voraussetzungen alles Kursteilnehmenden erfolgreich den Kurs abschliessen können?

Tipp 1: Teilnehmerkreis kennen

Mir ist es als Trainer wichtig, am Anfang genügend Zeit darin zu investieren, die Teilnehmer kennen zu lernen. Dazu verwende ich meist folgende drei Fragestellungen:

  1. Was bringen die Teilnehmenden als Erfahrung in Zusammenhang mit dem Kursinhalt mit?
  2. Welche Erwartungen an den Kurs haben die TN? Wie wissen die TN, dass sie am Ende des Kurses zufrieden sind?
  3. Was sonst für Fragen sind aktuell ganz zuvorderst?

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Die Frage nach der persönlichen Erfahrung  im Thema hilft mir, die Teilnehmenden bessern durch ihren Lernprozess zu begleiten. Mehr dazu in Tipp 3.

Tipp 2: Abgleich der Ziele mit den Kurszielen

Die Ziele der Teilnehmenden werden für alles sichtbar aufgehängt und nun mit den Kurszielen abgeglichen. Zusammen mit den TN priorisieren wir die Ziele – beim Vorbereitungskurs auf die Zertifizierungsprüfung ist logischerweise das wichtigste Ziel „Bestehen der Prüfung“.

Das hilft mir im Verlauf des Kurses, die Lernprozesse so zu steuern, dass sie dem Erreichen der zusammen am Kursanfang vereinbarten Ziele dienen.

Nun können wir in den eigentlichen Kurs einsteigen.

NB: auch im eintägigen Crash-Kurs gehe ich so vor – an diesem Teil kann keine Zeit gespart werden.

Tipp 3: Expertenwissen gezielt abrufen

Während dem Kurs gibt es vielerlei Möglichkeiten, das Expertenwissen im Raum einzubinden. Ich will dies an drei  konkreten und direkt umsetzbaren Beispielen illustrieren.

Beispiel1: Übungen: Im Rahmen von Übungen kommen oft sehr kreative und detaillierte Lösungen, in denen das Wissen einfliesst. Oft kann in diesen Fällen auf das Präsentieren einer vorbereiteten Musterlösung verzichtet werden und mindestens eine der Lösungen aus dem Workshop als mögliche Musterlösung besprochen werden. Damit wir dem Wissen der Teilnehmenden Platz gegeben. Ideal dafür ist natürlich, wenn die Lösung in einer Kleingruppe direkt an einem Flipchart erarbeitet werden kann.

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Achtung Falle: ein bis zweimal pro Kurs muss ich selbst mit einer guten Musterlösung auftrumpfen, um mich bei den Kursteilnehmenden als Experte zu positionieren. Ich habe auch schon erlebt, dass mit der Zeit die Teilnehmenden das Gefühl erhalten haben, dass ich als Trainer ja gar nichts weiss, das Praxis-Wissen komme ja immer von Ihnen. Wichtig ist, diese Momenten zu erkennen und dann mit ein oder zwei konkreten und guten Beispielen aus meiner Praxis aufzutrumpfen.

Beispiel 2: Bezug zur Praxis der Teilnehmenden
„Wie macht ihr das bei euch?“:
Beispiele zur Illustration eines Sachverhaltes sollen Beispiele von den TN selbst eingebracht werden. Wo setzen die TN die soeben gehörte Theorie bewusst ein? Welchen Unterschied sehen die TN in Ihrer Praxis zur erklärten Theorie? Wo sehen die TN Schwierigkeiten im Umsetzen der Theorie in Ihrer Praxis? Damit werden die TN zu beteiligten, fühlen sich als Mensch wahrgenommen und nehmen aktiver am Kurs teil.

Beispiel 3: Diskussionen
Es kann gut sein, dass Diskussionen im Raum entstehen. Bilaterale Gespräche können moderativ in den Vordergrund geholt werden, und als kleine Auflockerung zu einem kurzen Austausch überleiten.

Gerne reisse ich auch ein bis zweimal pro Kurs eine Kurze Diskussion zu einem neu einzuführenden Thema ein: "Was habt ihr für Erfahrungen mit dem folgenden Thema?", oder "Welche Assoziazionen weckt das folgende Thema bei euch?".

Achtung Falle: bei jeder Diskussion muss ich als Moderator sicherstellen, dass die Diskussion nicht ausufert und zu viel Zeit beansprucht. Ebenso muss ich spontan auftretende Verwirrungen oder inhaltlich nicht korrekte Aussagen von Teilnehmenden auffangen und auflösen. Hier kann auch der Parkplatz gute Dienste Leisten, indem ich mit Rücksicht auf die Zeit ein nicht zu Ende diskutiertes Thema dort hinterlege.

Tipp 4: Abschweifungen erkennen und positiv beenden

Gerade wenn TN ihr Wissen einbringen dürfen und sollen, wird die Situation immer wieder auftauchen, dass Diskussionen abschweifen, oder sich zwei Meinungen im Raum aufeinander prallen. In diesem Fall verwende ich, falls mir nichts anderes spontan in den Sinn kommt, einer der beiden folgenden Tricks:

„Parkplatz“:
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Am Anfang jedes Kurses hänge ich ein leeres Flip-Chart auf mit einem grossen blauen P. Auf diesem Parkplatz findet alles einen Platz, das nicht der eigentlichen Zielerreichung dient. Also auch spannende Diskussionsthemen. In einer Pause oder gegen Ende des Tages können diese Themen bilateral oder im Plenum aufgegriffen werden.

„Moderativ einschreiten“: ich gehe physisch in die Mitte des Raumes, unterbreche die Diskussion, danke für das aktive Mitarbeiten und verbalisiere dabei meine Gefühle: ich denke nicht, dass die Diskussion uns helfe, die gesetzten Ziele zusammen zu erreichen. Aus diesem Grunde erlaube ich mir als Moderator und Verantwortlicher für die Zielerreichung, die Diskussion nun zu beenden mit dem Angebot, das Thema zB. über die Mittagspause ausserhalb des Kursraumes wieder auf zu nehmen.

Tipp 5: Ich bin „nur“ der Trainer, die TN sind das Lernteam

Als Trainer sehe ich mich nicht als einziger verantwortlich für die Lernerfolge der Teilnehmenden, sondern teile mir diese Verantwortung zusammen mit den Teilnehmenden.

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Wir halten dies am Anfang der Lernsequenz fest und formulieren zusammen unsere Spielregeln. Um eine lernfördernde Umgebung zusammen herzustellen, gehört in der heutigen Zeit zum Beispiel auch dazu, den Umgang mit elektronischen Medien zu reglen. In den Pausen kein Problem, sonst grundsätzlich abgestellt.

Zusammen mit den Lernzielen hilft mir das, den Lernprozess zu lenken und sicher zu stellen, dass das Lernteam in der vorgesehen Zeit die Lernziele erreichen kann.

Fazit:

Wichtig ist aus meiner Sicht primär, dass ich mich als Trainer und nicht als allwissender Dozent sehe. Diese Haltung führt automatisch dazu, dass ich das Wissen im Raum nicht als Gefahr (ich als Referent sollte doch alles wissen..) wahrnehme, sondern als Chance sehe den Lerneffekt zu verstärken und das Wissen zur Zielerreichung uns zu Nutze mache.

Wie machst du das? Was für Tipps und Tricks wendest Du an? Ich freue mich auf tolle Feedbacks und auf Deine Erfahrungen aus der Praxis.

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