Viele Unternehmen sind auf den Business-Agilität-Zug aufgesprungen. Sie haben mit der Implementierung des Spotify-Modells begonnen und Abteilungen in Tribes und Teams in Squads umbenannt. Sie setzen Scrum ein, oder zumindest einige seiner Praktiken, wie Sprints, (2-wöchentliche) Daily‘s und Retrospektiven. Aufgaben werden jetzt Epics und Stories genannt; der Fortschritt wird auf Kanban-Boards in Jira verfolgt. Die Chancen stehen gut, dass einige Personen im Unternehmen durch ihre Beteiligung an IT-Projekten Teil von Agile Release Trains sind und das Scaled Agile Framework (SAFe) anwenden. Aber haben Organisationen das Konzept der Agilität wirklich übernommen und sich daran ausgerichtet? Nach den Ergebnissen der Trends & Benchmark-Studie von SwissQ zu urteilen, gibt es einige grosse Fragezeichen über den tatsächlich gemachten Fortschritt.
Ehrlich gesagt, während Unternehmen begonnen haben, Agile im Business einzuführen, hat sich die tatsächliche Art und Weise Dinge zu tun, nicht wirklich verändert. Sie halten an den gleichen alten Prozessen, den gleichen alten Regeln, der gleichen alten Hierarchie und den gleichen alten Geschäftsmodellen fest. Können wir das wirklich Business Agilität nennen?
Wie zu erwarten, sind lediglich etwas über die Hälfte (54,7%) der Befragten mit der Einführung agiler Arbeitsweisen zufrieden.
Viele erhalten nicht die Ergebnisse, die sie sich erhofft hatten. Und einige geben sogar der Agilität selbst die Schuld. Die Trends & Benchmarks Umfrage, Gespräche mit Menschen in verschiedenen Unternehmen und unsere tägliche Arbeit bestätigen, dass viele Organisationen eigentlich nicht sehr agil sind. Sie stecken in einem alten bürokratischen Ansatz fest. Auch wenn sie agile Methoden verwenden, sind sie nicht wirklich agiler geworden. Um dies zu tun, wäre eine Änderung der Denkweise, Kultur und Führung erforderlich.
Natürlich ist dies keine Überraschung für diejenigen, die die agile Bewegung verfolgen oder unsere Berichte in den letzten Jahren gelesen haben. Was geht hier vor? Haben diese Unternehmen Angst, Dinge anders zu machen und nicht mit dem Markt Schritt zu halten? Fürchten sie den Rollen- und Verantwortungswechsel oder gar den Verlust von Arbeitsplätzen?
Die Herausforderung für die meisten Unternehmen besteht darin, dass sie nicht auf die Tiefe der Transformation vorbereitet sind, die geschäftliche Agilität erfordert.
Bei Business Agilität geht es um mehr als die Einführung neuer Technologien (Data, AI, Cloud, ...) und die schnellere Markteinführung neuer Features. Sie können und sollten sich nicht darauf verlassen, dass Ihre IT-Abteilung die Transformation vorantreibt. Der Schlüssel zur Transformation des Business liegt in den Händen des Business selbst. Es geht um Menschen, Prozesse und Organisationsstrukturen. Um der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein, wirklich innovativ zu sein und schnell handeln zu können, müssen diese Aspekte berücksichtigt werden.
Kultur ist wichtig
Beginnen wir mit den Menschen. Es gibt viele Gründe, warum wir uns vor Veränderungen hüten. Die Angst vor dem Scheitern. Die Angst vor verpassten Chancen. Die Angst, die Kontrolle zu verlieren. Wir alle haben Angst vor etwas und die Unbekannten, die jede Veränderung mit sich bringt, verstärken diese Ängste. Es ist wichtig, dass Sie, Ihre Mitarbeiter, Ihr Chef und vielleicht sogar Ihre Kunden die Notwendigkeit von Veränderungen verstehen - sowie die möglichen Folgen, wenn sich nichts ändert.
Damit eine Transformation erfolgreich sein kann, muss ein Unternehmen seine Kultur ändern und eine agile Denkweise annehmen. Aber obwohl die Kultur als wichtigster Erfolgsfaktor anerkannt wird, liegt der Fokus der Transformationsbemühungen in der Regel auf den Prozessen statt den Menschen. Während 37% der Unternehmen bei ihrer Transformation auf Prozesse und Methoden abzielen, legen nur 18% den Fokus auf Kultur und Leadership, und noch weniger (14%) auf Menschen und Fähigkeiten.
Veränderung geschieht nicht über Nacht und es wird viele Hindernisse auf dem Weg geben. Das Wichtigste ist, dass jeder die zugrunde liegende Notwendigkeit der Veränderungen versteht und bereit ist mitzuhelfen diese zu erreichen.
Sich entwickelnde Rollen
Für 68% der Befragten hat sich ihre Rolle aufgrund agiler Arbeitspraktiken verändert. Sie machen mehr Coaching, statt zu managen. Sie passen sich kürzeren Planungszyklen an. Sie übernehmen gänzlich neue Rollen.
So scheinen heutzutage alle Product Owner (PO) zu sein. Eine der grössten Herausforderungen sind dabei unklare Verantwortlichkeiten. Da sich der Rest der Organisation nicht angepasst hat, koexistiert die PO-Rolle mit traditionellen Rollen wie Projektleitern, Business-Analysten und Applikationsverantwortlichen. Agile Events wie Backlog Refinements und Planning Meetings kommen hinzu, ohne dass bestehende Meetings abgeschafft werden. Zu viele Aufgaben, zu wenig Zeit.
Um eine agile Arbeitsweise zu ermöglichen, müssen bestehende Job-Beschreibungen und existierende Prozesse neugestaltet werden.
Ein schlankerer Weg
Prozesse bestimmen, wie Dinge erledigt werden und wirken sich auf die Qualität und Geschwindigkeit des Unternehmens aus. Wenn Sie komplizierte Prozesse mit vielen Übergaben haben, sind Sie wahrscheinlich nicht der "Fast Mover" in Ihrer Branche. Sie werden wahrscheinlich auch Schwierigkeiten haben, sich an Veränderungen im Marktumfeld anzupassen. Prozesse sind dazu da, die Arbeit zu unterstützen, nicht sie zu behindern. Organisationen, die sich dieses Prinzip zu Herzen nehmen, gestalten ihre Prozesse entlang von Wertschöpfungsketten, die dem Kunden einen Mehrwert bieten. Unter den Umfrageteilnehmern sind Organisationen jedoch immer noch mehrheitlich divisional strukturiert (45,7%) und nicht auf Wertströme ausgerichtet (11,8%).
Agil hat vieles aus Lean übernommen. Und aus gutem Grund. Lean zielt darauf ab, Verschwendung zu reduzieren und konzentriert sich auf den Arbeitsfluss und die kontinuierliche Verbesserung. Diese Prinzipien bilden auch den Kern der Kanban-Methode. Dessen Verwendung ist im Laufe der Jahre stetig gewachsen, scheint nun aber ein Plateau erreicht zu haben (ca. 1/3 der Befragten verwenden Kanban gegenüber 60% von Scrum). Vielleicht, weil es nie richtig umgesetzt wurde. Viele Organisationen, die meinen, Kanban zu verwenden, haben ihre Arbeit in der Tat auf einem Task Board visualisiert, es fehlen jedoch Work in Progress (WIP) Limiten (nur 14,7% derjenigen, die agile Praktiken anwenden, verwenden WIP-Limiten).
Ein Task Board ist ein guter erster Schritt, führt aber nicht zu einem schlankeren und agileren Prozess. Wenn Sie jedoch zu einem bestimmten Zeitpunkt nur an drei (3) Dingen arbeiten können, werden Sie gezwungen sein, Entscheidungen über Prioritäten zu treffen und darüber nachzudenken, wie der Prozess verbessert werden kann.
Eine zukunftssichere Organisation
Ein Schlüsselelement der Business Agilität ist, dass wir eine Organisationsstruktur aufbauen wollen, die in sich selbst agil ist, um damit auf sich ändernde Kundenbedürfnisse und Marktumfeld reagieren zu können, ohne jedes Mal eine Reorganisation durchführen zu müssen.
Der Grundbaustein einer agilen Organisation sind dabei selbstorganisierende Teams. Den Teams Verantwortung für ihre Arbeit zu übertragen, führt zu einer schnelleren und besseren Entscheidungsfindung. In der Tat sagen 78%, dass ihr Team agil arbeitet. Dieser Wert sinkt aber auf organisatorischer Ebene auf 24%. Und lediglich 4,4% denken, dass ihr Management agil ist.
Jährliche Planungszyklen (mit Ausnahme des Budgets) gehören zwar der Vergangenheit an, aber die meisten Organisationen denken immer noch in Projekten, wenn es darum geht, neue Lösungen und Features zu kreieren. Und der Anteil der Innovation im Portfolio beträgt lediglich 31%. Genug, um in einem wettbewerbsintensiven Marktumfeld zu überleben? Wahrscheinlich nicht. Die traditionelle Aufteilung der Organisation in Business und IT muss überdenkt werden. Stattdessen muss die Organisation neu konfiguriert und nach Produkten ausgerichtet werden, wobei die Customer Experience im Mittelpunkt steht. Es braucht einen Wechsel vom Projekt- zum Produktdenken.
Being Agile
In der Vergangenheit entstand die agile Transformation oft "bottom up" innerhalb der IT-Abteilung. Heute wird diese hauptsächlich vom Management vorangetrieben, dem manchmal das Verständnis für die Werte und Prinzipien dahinter fehlt und es als eine einmalige Anstrengung ansieht. Aber eine agile Transformation endet nie. Das grösste Potenzial liegt denn laut den Trends und Benchmarks auch in der Etablierung eines agilen Mindsets und einer agilen Führung (65,6%). Das agile Mindset muss sich auf allen Ebenen durchsetzen. Das Ziel ist es dieses Credo zu einem Teil der DNA des Unternehmens werden zu lassen, um sich kontinuierlich zu adaptieren und zu verbessern.
Beim Agilen geht es darum, die Arbeitsweise der Menschen zu verändern, die Mitarbeitenden zu befähigen und ihnen die Verantwortung für ihren eigenen Erfolg zu übertragen. Es geht darum, moderne Technologien und Tools zu nutzen, um die Geschäftsziele zu erreichen. Es geht vor allem darum, nah am Kunden zu sein, seine Bedürfnisse zu antizipieren und ihn mit innovativen Produkten zu begeistern. Um dies zu erreichen, müssen Sie das Unternehmen möglicherweise neu erfinden.
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