Schreibst du noch auf der Schreibmaschine oder programmierst mit TurboPascal? Wahrscheinlich eher nicht. Wir unterziehen unsere Werkzeuge regelmässigen Updates. Ausser bei unserem wichtigsten Werkzeug der Zusammenarbeit – der Kommunikation.
Lies weiter und ich zeige dir, wie du Kommunikation unter Zuhilfenahme von agilen Prinzipien einsetzt. Damit erzielst du erst noch bessere Resultate und weniger Missverständnisse!
Agile Kommunikation – muss Kommunikation jetzt auch noch agil sein?
Agile Kommunikation operationalisiert agile Werte und Prinzipien und basiert auf den empirischen Grundsätzen. Die Wahl der Kommunikations-Arten und Tools ist den verschiedenen Situationen angepasst. Diese wird bewusst gewählt, um die Zusammenarbeit und die Ergebnisse gezielt zu beeinflussen und zu optimieren.
Warum solltest du dein Kommunikationsverhalten überdenken? Früher gab es klare, einbahnige Hierarchiestrukturen, wo der eine befahl und der andere ausführte. Die Welt war klar in «Denkende» und «Tuende» aufgeteilt. Aber unsere Arbeitswelt hat sich – besonders seit dem Internetzeitalter - stark verändert. Nun sind wir alle multifunktionale Wissensarbeiter, die sowohl kreativ gestalten, ausführen, einander informieren und dazu angehalten sind, Bestehendes infrage zu stellen.
Wir arbeiten heute oft so, dass wir häufig zwischen verschiedenen «Arbeits-Arten» hin- und her-wechseln. Mal führen wir aus und wünschen uns dabei, dass nur noch wenig unklar und unsicher ist. Mal denken wir über verschiedene Lösungswege nach oder hinterfragen unser eigenes Tun und versuchen, uns selbst zu verbessern. Wir sind nicht mehr in Denker und Macher aufgeteilt, sondern nennen uns Wissensarbeiter, welche kollaborativ denken und ausführen wollen. Während es also weiterhin beide Tätigkeiten gibt, werden diese heute in der Wissensarbeit durch dieselbe Person ausgeführt.
Die einbahnige Kommunikation, die vor allem auf Top-Down Befehlen und Anweisungen basierte, ist heute also veraltet. Ja, sogar kontraproduktiv, wenn es darum geht, gemeinsam in einen kreativen, iterativen Prozess zu treten. Fakt ist jedoch, dass viele von uns noch die Kommunikation aus der «alten Welt» gelernt haben. Darum wenden wir diese auch ganz unbewusst an.
Die Pyramide der agilen Kommunikation
Agile Kommunikation orientiert sich am empirischen Prozess. Sie operationalisiert agile Werte und Prinzipien und schafft die Basis für konstruktive Zusammenarbeit. Daneben trägt die Agile Kommunikation – mit der situationsgerechten Wahl der Kommunikationsarten und -mittel – dazu bei, die Art der Ergebnisse zu gestalten. Darum ist es essenziell, dass du ein Verständnis über die Kommunikationsebenen hast und die adäquaten Kommunikationsmethoden bewusst auswählst.
Die Agile Kommunikationspyramide bildet die vier Ebenen der erfolgreichen Kommunikation ab. Sie sind aufeinander aufbauend. Die unteren zwei Ebenen bilden die Basis der erfolgreichen Kommunikation und zielen auf Werte und Mindset ab. Die oberen zwei Ebenen erlauben dir, deine Kommunikation ergebnisorientiert zu gestalten. Lies weiter und ich zeige dir wie!
Empirik in der Kommunikation
Die Basis der Agilen Kommunikation ist – wie z. B. auch in Scrum – die Empirik mit den 3 Säulen Inspect, Adapt und Transparency.
Transparency bezieht sich
- auf den Inhalt der Kommunikation selbst (z. B. Offenheit, Ehrlichkeit, was weiss ich/was weiss ich nicht, welche Gedanken und Gefühle mich gerade beschäftigen, die Einfluss auf die Kommunikation haben, Fehler, Probleme, Unsicherheiten, etc.)
- auf die Metaebene der Kommunikation – also die Kommunikation über die Kommunikation (z. B. Transparenz über den gewünschten Outcome, Klarheit über die Verwendung von Kommunikationsbeiträgen etc.)
Inspect & Adapt in der Kommunikation
- Die Kommunikation wird in regelmässigen (kurzen) Abständen überprüft und wenn nötig angepasst. Dazu folgende Fragen dienen, z. B. in Form von regelmässigen Feedbacks.
- Inhalt: ist der Inhalt verständlich? Was wurde verstanden? Ist die Kommunikation transparent?
- Format: ist die Form zweckdienlich? Konnten die Kommunikationsteilnehmenden wie gewünscht partizipieren?
Praxistipp: Überprüfe deine Kommunikation regelmässig, passe sie an und mach die Änderungen auch transparent. So erschaffst du die Basis für psychologische Sicherheit und Vertrauen. In Teams mit einem hohen Reifegrad werden diese Faktoren sogar voneinander eingefordert!
Werte und Prinzipien
Agile Kommunikation operationalisiert agile Werte und Prinzipien und macht diese sicht- und spürbar. Kaum irgendwo sonst als in kommunikativen Situationen ist es so augenfällig, ob Werte wie z. B. Respekt tatsächlich gelebt werden. Vielleicht hast du es schon selbst erlebt: Werte sind zwar bekannt und werden in der Theorie geschätzt. Es ist aber unheimlich schwierig zu prüfen, wie sie gelebt werden und einzelne Werte durch sanfte Anstösse zu fördern («Seid mal offen!» o.ä. funktioniert – wenig überraschend – gar nicht).
Je nach agilem Framework werden andere Werte und Prinzipien genannt. Sie basieren allerdings alle auf der gleichen Idee, dass eine positive Zusammenarbeit und gute Resultate mit einem gemeinsamen, wertschätzenden Mindset erreicht werden können. Als Beispiel können hier die SCRUM-Werte dienen. Die genannten Beispiele zur Operationalisierung und Prüfung können dir einen Denkanstoss geben, haben aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Offenheit
- Operationalisieren: Antworten von «Ja, aber...» zu «Ja, und auch...» ändern. Veränderungen als Möglichkeiten zum Lernen deuten.
- Prüfen: Wie werden Veränderungen und andere Meinungen aufgenommen? Lösen sie eher Angst/Abneigung oder Neugierde und den Wunsch nach Verstehen aus?
Mut
- Operationalisieren: Probleme ansprechen, ohne sie zu dramatisieren. Eigene Fehler und Schwächen mitteilen (Vorbildfunktion). Fehler als Lern-Möglichkeiten benennen. Abgrenzen zwischen Personen und Aktionen.
- Prüfen: Wird bei unangenehmen Themen der Kopf in den Sand gesteckt? Können auch schwierige Themen angesprochen werden? Steht man zu Fehlern, Schwächen?
Respekt
- Operationalisieren: Wertschätzend nachfragen statt kritisieren. Einverständnis abholen, bevor man Ratschläge erteilt oder Erklärungen gibt.
- Prüfen: Wie ist der Umgang untereinander? Darf jede Person ihren Standpunkt vertreten? Werden alle Personen als gleichwertig betrachtet und behandelt– unabhängig von ihren Fähigkeiten und Eigenheiten? Etablieren, dass Verständnis nicht unbedingt Zustimmung bedeuten muss.
Fokus
- Operationalisieren: Nachfragen, was die aktuelle Diskussion zum Thema beiträgt. Erwartung klären, was das Ziel der Kommunikation ist.
- Prüfen: Wird in Gesprächen abgeschweift, oder geht es wirklich um das aktuelle Thema? Verstehen alle, worum es gerade geht? Drehen sich Gespräche immer im Kreis? Achtung: Das kann auch ein Zeichen sein, dass der Mut fehlt, das wirkliche Thema anzusprechen!
Commitment
- Operationalisieren: Konkrete Aussagen machen und auch einfordern (Wer macht was wann?). Wenn ein gemachtes Versprechen nicht eingehalten werden kann, dies von sich aus mitteilen.
- Prüfen: Stehen die Kommunizierenden zu ihrem Wort, ist auf ihr Wort Verlass? Werden gemachte Aussagen rückwirkend umgedeutet? Werden Versprechen, die nicht eingehalten werden, totgeschwiegen?
Praxistipp: Arbeite an einer Retrospektive gemeinsam mit deinem Team aus, woran im Team gesehen wird, dass Werte gelebt werden. Verpflichtet euch als Team dazu, einander gegenseitig darauf aufmerksam zu machen.
Kommunikationsarten situativ auswählen
Wir haben festgestellt, dass es in der heutigen Arbeitswelt Kommunikationssituationen mit ganz unterschiedlichen Ansprüchen an die Art des Ergebnisses gibt. Als Beispiel kann hier ein Sprint aus SCRUM dienen.
Es gibt Situationen, wo Wissen erarbeitet und erforscht wird (z. B. Retrospektive) und solche, wo gemeinsam an einem vorher definierten Ergebnis gearbeitet (z. B. Arbeit an den Stories) wird.
Daneben gibt es Situationen, wo die Kommunikation kein Dialog ist, sondern nur einseitig Information fliesst und Wissen weitergegeben wird (z. B. Ankündigung Maintenance Window).
Es gibt also drei grundsätzliche Arten der Kommunikation mit unterschiedlichem Fokus:
Denken
- Kommunikation zielt auf gemeinsames Wissen gestalten, ändern oder schärfen ab. Der inhaltliche Outcome ist noch völlig offen. Kreative Prozesse stehen im Vordergrund. Es geht darum, verschiedene Möglichkeiten zu erforschen und zu entwickeln. (D. Marquet – Leadership is Language: Bluework)
Tun
- Kommunikation zielt auf das Anwenden von vorhandenem Wissen ab. Die möglichen Optionen des inhaltlichen Outcomes sind bekannt. Ausführende Prozesse stehen im Vordergrund. Es geht darum, die Möglichkeiten umzusetzen und gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten. (D. Marquet – Leadership is Language: Redwork).
Informieren
- Kommunikation zielt auf das Erreichen eines gemeinsamen Wissenstandes ab. Es gibt nur eine einzige Option, diese ist klar und soll bekannt gemacht werden. Die Kommunikation verläuft meist unidirektional. Es geht darum, Sachverhalte zu klären oder zu definieren und Wissen weiterzugeben.
Wie du kommunizierst, bestimmt, was du bekommst – Techniken der Kommunikation
Die Kunst ist es nun, die passende Art der Kommunikation zu erkennen und zu steuern. Wann willst du eine möglichst breite Palette an Ideen? Wann ist es wichtiger, ein vordefiniertes Ziel gemeinsam zu erreichen, ohne Missverständnisse, wer jetzt was tut? Die Art der Kommunikation beeinflusst also stark die Art des Ergebnisses. Wie du sicher bemerkt hast, sind die Kommunikationstechniken stark mit den Kommunikationsarten verknüpft. Man könnte sogar sagen, dass die Kommunikationstechniken die Kommunikationsarten operationalisieren. Beispielsweise kommen bei einer offenen Frage («Welche Ideen habt ihr?») ganz viele verschiedene Ideen zusammen. Es gibt also eine grosse Variabilität. Allerdings ist die Eindeutigkeit dafür eher niedrig. Umgekehrt bei einer geschlossenen Frage («Welche Idee findet ihr besser, A oder B?»), hier ist die Variabilität von vornherein eingeschränkt. Die Antwort ist dafür aber sehr eindeutig zuordenbar.
Bei der konsequenten und bewussten Anwendung der verschiedenen Kommunikationsarten stellt sich ein langfristig positiver Effekt für die Zusammenarbeit ein. Dies da allen Beteiligten klar ist, welche Art der Ergebnisse erwartet werden. Probiere es aus und du wirst beobachten, dass die unterschiedlichen Kommunikationsarten ganz automatisch für bestimmte Situationen aufgenommen und übernommen wurden.
Praxistipp: Überlege dir für dein nächstes Meeting zuerst, welche Art der Ergebnisse du erwartest. Wähle daraufhin die passende Kommunikationsart aus und schreibe einige Techniken auf, welche du verwenden willst. Als letztes brauchst du noch ein geeignetes Tool, in welchem die Techniken Platz haben.
Das passende Tool finden
Es wäre so einfach, gäbe es das eine Tool pro Kommunikationsart. Leider ist dem nicht so. (Mit Tools ist in diesem Zusammenhang jede Art von Kommunikationsgefäss, wie z. B. verschiedene Medien, Online/Offline Whiteboards, Wikis, physische Treffen, Telefonate etc. gemeint). Einige Tools kannst du aber einfacher für bestimmte Techniken verwenden. Willst du z.B. viele Ideen generieren, eignet sich ein Brainstorming mit einem Online-Whiteboard. Willst du aber eine Gruppe von Leuten vor allem informieren, ohne eine Interaktion von ihnen zu fordern, kann ein Eintrag im Intranet sinnvoll sein.
Der Erfahrung nach lohnt es auch sich bei der Auswahl des Tools, von der gewünschten Art des Resultats beziehungsweise, von der gewünschten Art der Interaktion auszugehen. Somit kann man das Tool zu verwenden, welches diese Art der Interaktion am besten ermöglicht. Kläre dafür zuerst, wie und ob sich die gewählte Technik (z. B. Powerful Questions) in diesem Tool umsetzen lässt.
Fazit
Eigentlich ist es ganz einfach: Eine gemeinsame Wertvorstellung und ein gemeinsames Ziel werden durch gemeinsame Kommunikation gestaltet. Darauf kann eine effektive und effiziente Zusammenarbeit aufbauen, wo Kommunikation als wichtigstes Werkzeug benutzt wird. Ganz bewusst und zielgerichtet. Klar ist, dass diese Agile Kommunikation etwas Übung benötigt – für uns selbst als auch für die Kommunikationspartner. Allerdings kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass es sich zum einen lohnt und zum anderen Spass macht. Probier es doch mal aus!
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